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I 09 Luft

Der letzte Tag. Durchatmen. Gespräche, die nicht enden wollen - Freunde, die einander nicht verabschieden wollen.
Ein Tag zum Einatmen: wie ich versuche, voll aufzusaugen, was die Stadt bedeutet, jede Lücke zu füllen an Gedanken und Bildern, die ich noch nicht entdeckt habe. Ich fange an, zu verstehen, dass Erzwungenes hier nicht funktionieren kann. Ein einfaches auf den Markt Gehen öffnet Schleusen, aus denen Neues sprudelt, das mir beinahe den Atem raubt, mich auf jeden Fall auch nach Tagen voll Leben und Entdecken noch nachdenklich werden lässt. Zufälle scheinen sich aufzulösen. Das direkte Neben- und Nacheinander vom Liebespaar, dessen Hände sich an den Fenstern des Autos ineinander schmiegen, klare Inseln in den angelaufenen Scheiben, und vom Hund, der sich zur Seite gelegt hat hinter einer Mülltonne, um frei zum letzten Mal durchzuatmen und danach ebenso frei die Augen nicht mehr aufzumachen. Ein Spaziergang um halb zwei in der Nacht, Hören auf die frischen Spuren im Schnee, und umringt, umarmt sein, in der Wärme des Augenblicks beim gemeinsamen Essen, von Menschen, die Teil dieser Zeit, dieses Lebens sind. Vielleicht habe ich hier gelernt, Stille im Gespräch zu leben, zu fühlen. Nähe und Abstand sind kein Gegensatz mehr. Zeit für sich zu haben, indem man den anderen Zeit schenkt. Der Lebensraum findet in der Gemeinschaft, im Draussen statt. Es scheint keine Mauern mehr zu geben.

I 09 Schneeflocken

Schneeflocken, die sich langsam in der Wärme des Zimmers von mir verabschieden. Mein Kopf wurde gestern kaum entleert und so sitze ich hier nun mit Gedanken des gestrigen und Bildern des heutigen Tages.
Will alles festhalten. Will nichts verlorengehen lassen und suche einen Anfang. Vermische nicht dokumentierte Gespräche mit neuen Eindrücken und es dreht sich.
Wir leben bereits hier. Waren am Markt. Und auch ein Fleischer wird das nächste Mal mit Händedruck und einer Geschichte über uns das Fleisch über die Vitrine reichen. Lachende Gesichter und glasige Augen begleiten uns an diesem Tag bevor uns ein Zug in wenigen Stunden wieder gen Norden bringen wird.
Die Stadt hat sich uns an diesem Tag in braunem Nass geöffnet und so manche Ecke, so mancher blauer Tisch fiel in ein anderes Licht. Diese Eindrücke beginnen sich mit Erinnerungen zu überlagern und es entstehen Bilder, die sich in den verschiedensten Ebenen aufzuspalten scheinen.
Eine Vielfalt, die ich heute auch in einem 16-jährigen gefunden habe. Scheu und aufgeregt erzählt er von seinem Traum Französisch zu lernen. Die Augen strahlen. In seinen Händen Bücher über Malerei. Er lässt sich fallen und tanz auf jeden Pinselstrich vor ihm. Will mit uns teilen und harrt jeder Reaktion. Mustert unsere Blicke. Freut sich über unsere Aufmerksamkeit. Könnte Stunden, Tage von sich geben. Lassen ihn erzählen von seinen Träumen und seiner Leidenschaft zur Malerei. Seine Bilder und Figuren erzählen von Erfahrung und Erlebten. Oder erzählen sie den Beginn einer Geschichte eines ganz speziellen 16-jährigen?
Wieder in den Strassen dieser Stadt. Wir haben gesehen - reflektiert - wieder gesehen - verstanden? schon nicht mehr gesehen? Bewege mich schon anders und fühle mich bepackt mit "Maxi"- Sackerln schon wie eine stumme NISerin. Das Wort trennt mich vom Leben hier, aber ich werde trotzdem immer und immer wieder auf´s Neue hier empfangen. Mit Neugierde und Freude über das Andersartige.
Beladen mit Kopien aus römischen Ausgrabungen, Masterplänen der letzten, unzählbaren Jahre, Zeilen und Selbstgebasteltes der Menschen und vielen Erlebnissen, die sich nicht ordnen lassen. Gebe diesen Erlebnisse Zeit und freue mich auf das Setzenlassen. Werde wieder sehen können.