I day 1

I Krebse(n) ueber den Daechern

Wir bewegen uns in bekannten Landen und fahren doch auf neuen Strassen, einer Stadt entgegen, in der die Menschen bekanntlich unsere Sprache sprechen. Lassen uns leiten von unserer Intuition und dem Ikeafamilyatlas und entschleunigen nach der Autobahn auf gepflasterten Innenstadtstrassen. Nutzen unser Kennzeichen und fahren vor. Erste Reihe fußfrei hier am Hauptplatz. Der Kern heißt uns willkommen. Tauchen noch, trotz Finsternis, ein in die Strassen und lassen uns locken von roten Krebsen. Der heutige, neue, helle, sonnige, lebendige Tag startet mit der Erkundigung unserer naeheren Flaechen und Raeume und Einblicke und Ausblicke. Lichtschacht, Hinterhof, Backstagebereich, Namen fuer das Dahinterliegende. Dort finden wir Stufen die steil nach oben fuehren. Sie versprechen uns Weite und schwebende Freiheitsgefuehle. Langsam ragt die Nase ueber die Dachkante. Unberuehrter Kies, verrostete Lueftungsrohre, Auf- und Einfangnetze und Satellitenschüsseln die mit Antennenwerk Blickkontakt pflegen. Ein Sammelsurium an Vertikalen bildet die Kulisse fuer diese Buehne in einem Theaterstueck das sich uns erschließen will. Ende des ersten Aktes.

 

I Schachspielen und Radfahren

Die Stadt der Arbeiterkinder lernt die Zwischenzeiten zu genießen. Auf eine Schachpartie unter der Mittagssonne treffen Menschen in schimmernden Anzügen auf pensionierte Linzbewohner, Männerrunden als Zaungäste fachsimpeln mit vereinzelten Frauen im Vorübergehen über den nächsten Zug. Der Fleck am Hauptplatz ist von Vormittag bis abends Zentrum für das Spiel der Könige. Selbst König sein für eine halbe Stunde in dieser Stadt, deren Entwicklungen und Geschick von wenigen Königen durch die Jahrzehnte hin geleitet und bestimmt werden. Erst wenige Jahre an Entwicklungen und Veränderungen haben eine Handvoll Mädchen hinter sich, die, aufgestellt im Kreis, ihre eigene Zwischenzeit im Schultag spielend verbringen. Gerüstet und versorgt stehen sie ihren Stahlburschen, summend und schwirrend fliegen sie von Runde zu Runde als Voestalbienen. Und wer sich mitten in ihrem Schwarm wieder findet, bekommt von stolzen Gesichtern die Errungenschaft der Leiberln aus dem antastbaren Geschichtswerk präsentiert, in blau und rosa.

Wir lernen hier: Kinder wie auch Erwachsene spielen hier. Ob Arbeiterkind oder nicht. Mit offenen Augen auf offenen Plätzen. Ohne Tricks, dafür mit Geduld. Und niemand lässt sich in die Karten oder in die Gedanken schauen – denn wenn erlaubt ist, muss nicht verboten werden. So heißt es dann auch nicht: Autofahren verboten / Fußgängerzone, sondern: Rad Fahren (neben den Fußgängern, Anm. der Verfasserinnen) erlaubt.