I day 7

I Kosmos

Die letzten Tage noch Varianten des Besuches ausgedacht, gedanklich angefragt und ausgetestet, nähern wir uns heute tatsächlich dem Kosmos VOEST. Mit einer gehörigen Portion Zeitzufall finden wir Einlass durch die sich beinahe schon vor uns schließenden Türen: Buslinie 18 (offiziell). Hausbus VOEST (inoffiziell). Ohne - Anruf – Sammel - Taxi der ArbeitnehmerInnen. Schranken gehen auf, Tore werden verschoben. Wir finden uns mit Staunen in einer maßstabslosen Welt wieder. Passieren Warnschilder mit „Achtung Nebelschwaden“ bei wolkenlosem Himmel. Entdecken das Betriebsmedizingebäude nach dem Seelsorgezentrum. Stahl und Gesundheit. Seelisch wie körperlich. Erhaschen Brocken der „Wandzeitung von ArbeiterInnen für ArbeiterInnen“ an den Bushaltestellen. Asiatische Wortfetzen und aufgeregtes Diskutieren in den hinteren Reihen des Busses. Einige Haltestellen und Schranken später finden wir uns auf der Endhaltestellenschleife der Buslinie wieder. Ob wir uns verfahren haben, werden wir vom Busfahrer aus Slawonien gefragt. Er erzählt uns, dass diese Route bei den Linz AG nicht trainiert wird, sondern dass bei etwaigen Zweifeln seitens der Busfahrer die Passagiere auf den Weg mit dazugehörigen Haltestellen hinweisen. So wie wir nun bei einem geschwungenen Vorbau mit hinweisendem Schild auf die Direktion. Setzen unsere Schritte in die (heiligen) Vorhallen und werden sogleich von einem seines Amtes waltenden Portier aufgehalten. Finden in ihm nach einigen Sätzen einen hilfreichen Verbündeten auf der Suche nach Voestalbienen und Stahlburschen in rosa und blau. Werden mit Telefonnummer und Name der Zuständigen auf den nächsten Tag verwiesen – Donnerstag, halb fünf ticken die Uhren hier anders. Zwischen Gießereien und stillgelegten Rohrleitungen stellen wir fest, dass auch die Buslinie um diese Uhrzeit stillgelegt ist. Dreimal täglich Busverkehr muss hier reichen. Mobilität kommt uns in Form eines beigen Opel Kadett Baujahr 1970 entgegen. Nimmt uns mit durch die letzten Schranken und gewundenen Wege in die Welt nach draußen. Grüßt die Stadt Graz und wünscht sich ein Wohnen im Süden. Lässt uns aus in diese Stadt. Was bleibt ist der Geschmack der Stahlluft auf der Zunge – und das Wissen ums Wiederkommen.

 

I Die Leere und der Respekt

Faszination Industrie. Überdimensioniertes, weiträumiges und fremdes Land. Das Rohe lädt ein zur Entdeckung und zum Experiment. Am Abend. Gespräche über `92 und der Beschäftigung mit Raumwahrnehmung. Entlang eines Weges. Begangen und erlebt über Jahre. Nicht weit entfernt von unserem Untersuchungsgebiet des heutigen Tages spazierten junge Menschen vor 15 Jahre über brache Flächen. Ideen begannen sich zu formieren. Diese wurden in ihre Schranken verwiesen. Angestrebt wurde ein „Intentionsnullpunkt“. Durch das Vertraute des Raumes entwickelte sich ein Verständnis für den Begriff und die Bedeutung des Wegerechtes. Keine „Landmarken“. Nicht „sofort tätig zu werden“. Wir fragen uns nach dem warum. Gedanken spinnen. Sie kreisen lassen. Wie heute Nachmittag - nicht alleine sein mit der Faszination für das Rohe, das Weite, das Leere. Respekt für Räume die Ausnahmezustände in unserem Alltagsleben bilden, Arbeitshüllen für den vertrauten Arbeiter, Raum den es zu durchqueren gilt für einen Busfahrer, Raumerlebnisse der vielfältigsten Arten und Weisen. Die Brache. Eine aus- und aufgeräumte Fläche. Ein Kontrast zu der Dichte der Stadt. Ein Entschleuniger des getriebenen Menschen. Eine Fläche, die Raum lässt für das Experiment, ja vielleicht sogar dazu einlädt. Das Produkt der Beschäftigung mit derartigen Räumen und Konstellationen zwischen dem Menschen und dem ihn umgebenen Raum, mit Geschwindigkeiten, mit Beobachtungsmustern etc. kann vielfältiger nicht sein und erhebt auch keinen Anspruch materiell manifestiert zu werden, doch würde ihm dadurch automatisch der Respekt entzogen werden?