I day 11 I Zukunftsstrasse In unmittelbarer Nähe zur Landstrasse, zum pulsierenden Geschäftsleben von Linz, tauchst du in eine Vergessenheit ein, wenn du in die Straße gehst. Du musst langsam gehen, seitwärts zu den Fassaden gerichtet, und mit jedem Schritt, den du vor den vorangegangenen setzt, rollst du das Band der Straße vor dir auf. Du denkst, was gibt es in dieser Straße, sie steht doch eh leer, ja, einmal gab es ein großes China-Lokal, du musst an die Süd-Fassaden schauen, da steht sie noch, die große gelbe Mauer. Länge, Breite, Höhe, alles angegeben, damit auch die Orientierung stimmt. Du gehst gedanklich weiter und siehst vielleicht eine Baulücke, ein großes klaffendes Loch, wie eine Wunde, deren Ränder von einem gezackten Gegenstand aufgerissen worden sind. Immer wieder siehst du über die leer stehenden Geschäftslokale hinweg, sie fallen dir nicht auf, sondern beschleunigen deine Schritte. Und da bestätigt sich dein Gedanke wieder: in dieser Straße gibt es doch nichts. Doch wenn ich dir nun erzähle, dass in dieser Straße Ralph lebt, der aus Ghana gerne ein bisschen mehr Anteilnahme und Interesse der Menschen aneinander mitbringen und einpflanzen würde, der so gerne vor seinem Geschäft auf einem Klappstuhl sitzt, doch immer wieder von der Polizei mit Recht und Ordnung verwiesen wird, weil der Gehsteig zum Gehen ist, egal ob Nebenstraße mit eigentlicher Fußgängerzone oder nicht. Und dass hier reinster Luxus angeboten wird, ob du es glaubst oder nicht, du kannst hier deine Zeit verschwenden und einfach nur glücklich sein und tanzen. Und dass Maria bloß in einem Toreingang, der Straße abgewandt zu finden ist, jedoch in der ganzen Straße kein einziges Mal – daran, und an allem anderen, hätte die Sonne die Schuld, so sagt man hier. Aber glaub mir, das ist nun sicher nicht alles, was in dieser Straße zu finden ist... Du hast vielleicht schon davon gehört, dass diese Straße nun als neues Viertel der Kreativen und Künstler aufgewertet werden soll. Dass sie mehr sein soll, als eine bloße Durchgangsstraße. Dass Menschen auch abseits der Landstraße aufmerksam werden. Das alles in der Zukunft. Doch auch in der Gegenwart lohnt es sich schon, hier vorbeizuschauen. Nimm dir ein paar Minuten und du lernst jemanden kennen, der so vielleicht bald nicht mehr sein kann. Darf ich vorstellen: Marienstraße.
I Vergangenheitsschiene Peter Hofbauer zeigt mir den Weg. Einstiger Bürgermeister von St.Magdalena. Jetzt tragen Stufen seinen Namen, die mich der Stadt entheben. Linz beginnt sich vor mir auszubreiten. Mein Ziel: die Schienen. Schon beim Aufstieg, im Gespräch, Fragen nach Spuren aus einer Zeit, in der es der öffentliche Verkehr auf das Festland geschafft hat. 1825-1832 wurde verlegt, dann 40 Jahre gefahren. Eingemeißelt sind die Zeilen, bewegt die Zeichnungen. Höre ein rhythmisches Klopfen, ein Klappern und in freudiger Erwartung drehe ich mich um. An mir wird nordisch vorbei gegangen, entlang der Pferdebahnpromenade. Die Nummern vermehren sich an den Häusern, die Adresse bleibt bestehen. Pferdebahnpromenade 25. Pferdebahnpromenade29. Pferdebahnpromenade31. Bin also noch am richtigen Weg und steuere zielsicher gen Budweis. Der Weg ist breit. Die Trasse war da, so wurde mir gesagt. Die steinernen Brücken erzählen uns aus dieser Zeit. Der Weg kuschelt sich an den Hang und mit Hilfe des Steines werden Täler überwunden. Ich bin noch ca.30m entfernt, doch das unverkennbare Rostbraun lockt mich und fordert mich auf keine Zeit zu verlieren. Der Abstand zwischen dem Stahl ist verdächtig. Nehme auf und werde belächelt. Weiter. Vorbei an dem dritten Holzkreuz. „Jesus der für uns das schwere Kreuz getragen hat“, „Jesus der für uns mit Dornen gekrönt worden ist“, „Jesus der für uns gekreuzigt worden ist“. Einfache, hölzerne Kreuze, die den Jogger, den Spaziergänger, den Walker begleiten auf den gewesenen Schienen des vorletzten Jahrhunderts. Geschichten, die mehr oder weiniger verankert in den Köpfen und Seelen ihren Platz gefunden haben. Hier kann man sich erinnern. Die Augen schließen, die Pferde schnaufen hören, die Damen sehen, die ihre Hüte festhalten, den Kutscher und seinen Griff zu einem Schlückchen. Dann tauchen wir aus dem Dunkel der Zeit und des Waldes und es öffnet sich die ganze Stadt unter mir. Staune und denke an die Qualität der langsamen Fortbewegung. Das Auge hatte damals noch Zeit. In Ruhe und mit Muse konnte man das Vorbeiziehende wirken lassen und von St.Magdalena über Pfaffendorf und den Trölsberg, über Summerau bis nach Bujanov konnte man sich hingeben der Veränderung des Raumes. Widerstehe den budweiser Rufen und kehre wieder um, vorbei an der jungen Geschichte. Das Gesicht, mit wenigen Strichen gemalt, lächelt mir zu und begrüßt mich im Jetzt.
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