I day 1

I Die Stadt, die noch den Winter kennt

4:00. Wir starten. Das neue Experimentierfeld liegt vor uns. Wir heben ab, versuchen alte Muster und Strukturen hinter uns zu lassen, um uns wieder Neuem öffnen zu können. Aus der Höhe schon suchen wir Berge, die wir uns nach Litauen gedacht haben. Stattdessen präsentiert sich das Land des Anflugs als strahlender Teppich von hunderten Weisstönen. Mein Blick verharrt auf dem Flügel. do not walk outside this area. Schlage den letzten Versuch einer Warnung in den Wind und steige in Vilnius aus der Maschine. Der erste Lufthauch. Winter. Aufgefischt vom ersten Taxifahrer, der sich unserer bemächtigt hat, werden wir Richtung Stadt chauffiert. Wir kommen näher. Die Energie, die von dieser Stadt ausgeht wird spürbar. Das Grosstädtische der Ferne verliert sich in den Gässchen einer verträumten Kleinstadt. Vertraute, verwinkelte Bewegungen der Autofahrer. Schmale Gehwege, gepflasterte Strassen. Tauchen in unser neues Zuhause und sind schon wieder auf dem Weg. Wollen entdecken. Flanieren. Uns treiben lassen. Nach dem ersten heimischen Bier, einem Supermarktsackerl voll mit Gemüse, Brot, Salz und Pfeffer und mehreren Willkommensgrüssen der Vilniuser Kirchturmspitzen sind wir, für den ersten Tag mal, angekommen.

I Trockene Kälte

Ein schnelles, fragmenthaftes Annähern, Einsteigen, Aussteigen, Umsteigen, Einsteigen, Aussteigen, Ankommen. Weiße Flächen sehen. Einatmen. Kälte spüren. Trockenheit. Menschen begegnen. Eingepackt und verhüllt - die Körper arrangieren sich mit dem Draussen. Ohne Sprache und auch ohne Hand und Fuß wird die Kommunikation schwierig. Trockene Blicke, die sich flüchtig begegnen, hängen bleiben, aneinander bleiben. Ein Lächeln entweicht. Rote Wangen trotzen der Kälte, warme Augen der Sprachlosigkeit. Finden Eisen, das Brücken schlägt, nicht nur zwischen unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Orten, zwischen Stadtvierteln. Es ist behängt mit Schlössern, die Spuren von Zuneigung hinterlassen, eingefangen, aufgeschlossen, einladend. Die kommenden Tage tragen eine intensive Auseinandersetzung in sich, ebenso aufgeschlossen, die eine Langsamkeit und ein genaues Hinsehen kennt - hier und jetzt muss nicht in intensiver Kürze aufgesogen werden.