I day 2 I 54°54' nördlicher Breite und 25°19' östlicher Länge Noch nicht richtig da und schon einen Termin. Sind etwas spät dran, wie zuhause, und erleben schon nach wenigen Stunden ein Gefühl des Alltags. Bekommen die Möglichkeit in die Welt von Judith Lewonig, einer österreichischen Journalistin und Baltikumexpertin, wohnhaft in Vilnius, einzutauchen und hören, nach kurzer Bespreibung unseres Vorhabens, Geschichten, Fakten, Eindrücke und entdecken Zusammenhänge, die unseren Aufenthalt immer dichter an Informationen werden lassen. Langsam nehmen Vermutungen Formen an und Überlegungen von Themenschwerpunkten festigen sich oder beginnen sich aufzulösen. Lassen uns führen und steuern ein neues Zentrum an, das neue Vilnius, den Kontrapunkt zur Altstadt. Es wird fleissig gebaut. Platten über Platten über Platten über Platten. Dazwischen: der Europaplatz. Erste Anzeichen also für das Gemeinsame. Europa. Europa. Laut Reiseführer, Merian "Baltische Metropolen", haben "[...]...1989 französische Wissenschaftler die Ausdehnung von Europa festgelegt und das Zentrum vermessen: Der Mittelpunkt Europas liegt in Litauen bei 54°54' nördlicher Breite und 25°19' östlicher Länge.[...]" Gut zu wissen - manche mögen nämlich fälschlicher Weise annehmen, der Mittelpunkt liege vielleicht in Österreich. Nein, dort liegt das Herz. In diesen aufstrebenden Gebäuden dann das 09 Büro. Hoher Frauenanteil. Wenig Platz. Guter Tee. Freundliche Gesichter. Offene Ohren. Erste Annäherung verläuft produktiv. Weitere Kontakte werde angedacht. Termine werden vereinbart und sich gegenseitig ein guten Vorrankommen gewünscht. Wieder raus in den Winter. In die Stadt. In unser Büro, das niemals geschlossen hat. Auf dem Weg immer wieder Zeichen, Schriften, Graffiti. Die Piktogramme scheinen nur für uns ihren Platz gefunden zu haben und die Schrift ist geduldig - erkennen immer wieder Wörter, die sich uns schon 100m zuvor offenbart haben und freuen uns an der Wiedererkennung. Können gatvé (Strasse) oder ačiū (Danke) durchaus schon der jeweiligen Bedeutung zuordnen. Der Kopf verarbeitet alle Informationen des heutigen Tages, der Magen unseren ersten Kontakt mit litauischen Spezialitäten - Cepelinai, [...] die in ihrer Form an Zeppeline - deshalb auch der Name - erinnernden Kartoffelklöße werden mit Fleisch, Speck und Zwiebeln, Käse oder Pilzen gefüllt, aber auch die süße Variante mit Quark isst man gern.[...]" I Der weiße Fleck Die Stadt – noch ein weißer Fleck auf meiner geistigen Landkarte. Durchqueren der Strassen, gefolgt von unzähligen weiß getarnten Überwachungskameras. Überqueren von einem Fluss, auf dem weiße Inseln aus Eis durch das braune Wasser getrieben werden. Vorbeilaufen an einem weißen Feld, auf dem ein Park wachsen wird. Queren können des Flusses auf der Weißen Brücke. Dazwischen zieht sich ein Band von offenen Händen durch die Begegnungen des Tages. Hände, die geben und geben wollen. Hände, die ermöglichen. Hände, die Geschichten aufnehmen und Geschichten weitergeben. Finde mich inmitten von unmittelbaren und zukünftigen Möglichkeiten der Menschen wieder. Finde Farben in den Gesprächen, die das Bild des Landes und der Stadt ausmalen. Finde Hell und Dunkel in der Geschichte der Stadt. Der Fleck wird bunt. |
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